Anmerkung:

Dieser Artikel wurde als Beilage zum Pfarrbrief 46. Jahrg. / Nr. 3 / 2014 an die Haushalte verteilt. Um aber auch vielen anderen Mitbürgern, Interessenten unserer Seite oder interessierten Lesern um die Geschichte von Kinzweiler etwas zu vermitteln, sollte diese lesenswerte Ausgabe Jedermann erreichen: 

100 Jahre Kreuzweg auf dem Kinzweiler Kalvarienberg

Vorgeschichte

Wenn Kinzweiler im Jahr 2014 auf das einhundertjährige Jubiläum des Kalvarienberges zurückblicken kann, so muss gleich gesagt werden, dass der „Berg“ eigentlich viel älter ist. Vermutlich reicht er bis in 9. oder 10. Jahrhundert zurück. Damals zog man am Oberlauf des Merzbaches einen Ringgraben und schüttete in der Mitte einen Hügel auf. Wenn dann noch ein befestigter Wehrturm auf der Kuppe angelegt wurde, hatte man eine gute Verteidigungsanlage, die mögliche Feinde zeitig ausmachen konnte. Von solchen sogenannten „Motten“ sind in Kinzweiler sogar zwei erhalten. Sie gehörten zur Kinzweiler Herrschaft, Ritter, die dem späteren Grafen von Jülich unterstanden. Um die Motte sammelten sich in einer „Vorburg“ Gehöfte und eine Kapelle, der Ursprung der heutigen Pfarrkirche ST. Blasius. Als Verteidigungsanlage verlor der Berg im 15. Jahrhundert seine Bedeutung. 1943 wurde wohl ein Luftschutzbunker mitten in den Bergkegel gebaut. Einer der drei Eingänge ist heute noch sichtbar, die Stollen selbst sind längst eingefallen.

Auf dem Berg stand ein Kreuz, das durch einen Prozessionsweg (der der heutigen Kastanienallee und der Treppe entspricht) mit der Kirche verbunden war. Solche Prozessionen waren für die Wallfahrt zur Mutter vom Guten Rat (1767 von Adolf Berghe von Tripsbegründet) wichtig. Ein Jahr zuvor wurde die Kapelle auf dem Berg errichtet. Wann die Motte zu dem Namen Kalvarienberg kam, ist aber nicht mehr zu ermitteln.

Die Entstehung des Kreuzweges

1905 erwarb die Pfarre das Grundstück von dem Herzog Aremberg zu Brüssel. Um 1910 erfolgte eine umfassende Rodung des Berges und Neupflanzung der Kastanienallee. Im September 1913 wurde Walter Maßberg Pfarrer in Kinweiler. Er hatte gleich die Idee, um den Kalvarienberg einen Kreuzweg mit 14 Stationen anzulegen. Überraschend schnell fand er genügend Mitstreiter. So konnte am Montag nach dem Dreifaltigkeitssonntag 1914 der ganze Ort zur Mithilfe mobilisiert werden. Der Tag war günstig gewählt, da wegen der Hoengener Kirmes die Kinzweiler Bergleute arbeitsfrei hatten. In einer konzentrierten Aktion wurde ein Rundweg von ca. 300m Länge und drei Meter Breite anstelle des ausgetrockneten Wassergrabens angelegt und der Bauplatz für die 14 Kreuzwegstationen grob bestimmt. Auch fanden sich Paten, Einzelpersonen oder Vereine für jede Station. Pfarrer Maßberg ging mit gutem Beispiel voran und übernahm die aufwändigere 1. Station (Verurteilung durch Pontius Pilatus).

Natürlich zogen sich die Arbeiten hin und konnten nicht nur durch ehrenamtliche Kräfte gemeistert werden. Gerade aber angesichts des 1. Weltkrieges, der der Bevölkerung in Europa enorme Opfer abverlangte , war es eine besondere Leistung, das bereits zur Oktav 1916 der ganze Kreuzweg eingesegnet und gebetet werden konnte. Lediglich die Figuren der Muttergottes und des hl. Johannes an der 12. Station (Jesu Tod am Kreuz) wurden erst 1923 links auf der Kuppe aufgestellt.

Die Herausforderungen heute

Der Wallfahrtsort Kinzweiler hat mit dem Kalvarienberg somit eine herausragende Andachtsstätte: Der Kreuzweg ist jederzeit für Gruppen oder Einzelpilger zu erreichen. Gerade angesichts des aufblühenden Jakobsweges ist das bemerkenswert. In den verschiedenen Jahreszeiten ist der Berg zunächst ein neutraler Park und somit eine sanfte Hinführung, sich am Leidensweg Jesu zu orientieren. Kindergruppen liefert er eine ansprechende Katechese. Für priesterlose Andachten von pfarrlichen Gruppen ist er ein dankbares Ziel. In der übersachaubaren Umgebung ist mit ein vergleichbarer Kreuzweg lediglich im belgischen Moresnet bekannt. 

Besonders ärgerlich sind Vandalismusschäden wie z.B. in jüngerer Zeit an der Johannisfigur, die nicht wieder aufgestellt werden konnte. Andererseits soll der Kalvarienberg auch kein verbotener Bezirk werden. Als harmloser Treffpunkt für Jugendliche oder Spielplatz für Kleinkinder (z.B. Ostereier verstecken oder Rodeln) lebt der Berg auch von Besuchern. Gerade Kinder sind sehr wertvolle Ordnungskräfte mit einem feinen Sinn für Respekt der Wallfahrtsstätte.

Aber schon unter normalen Bedingungen verlangt der Berg auch sehr viel Pflege: Da müssen die Stationen jährlich gründlich geputzt und gelegentlich gestrichen werden. Die bildlichen Darstellungen selber sind einigermaßen durch die Macrolonscheiben gesichert. Allerdings halten auch die Schieferdächer nicht ewig. Vor ca. 20 Jahren hatte Heinz Schmitz die Fundamente trocken gelegt. Die Kapelle wurde 1959 und 1995 praktisch neu gebaut und im Inneren weiter ausgeschmückt: 1991 eine Gedenktafel mit der Erinnerung an die erste Wallfahrt nach Genanzzano, der Heimat des Gnadenbildes, 1997 Restaurierung des Altares (Peter Dahmen), 2006 ein neues Altarbild mit Kreuzdarstellung (Renate Granrath), 2011 ein Blasiusbild (Winfried Krug).

 Die natürlichen Stufen des Wurzelwerkes wurde 1959 durch eine Treppe aus Eisenbahnschwellen ersetzt. 1979 aus Pfarrfesterlösen durch 48 Stufen aus Waschbeton. Die Natur setzt sich aber auch hier immer wieder durch und will in Schranken gewiesen werden.

Besonders gilt dies natürlich für den Baumbestand. So schön die Kastanien in der Allee auch blühen und duften und mit ihren Früchten klein und groß zum Sammeln einladen, nach und nach werden die Stämme morsch und stellen eine ernste Gefahr dar. Professionelle Baumpflege ist aber teuer. Dazu kommen Auflagen der Denkmalbehörde (seit 2003). So schön die Anerkennung und Beratung durch die Ämter sind so kostspielig sind sie umgekehrt. 1999 und 2000 sind z.B. über 53.000 DM in die Baumpflege geflossen. Damals hatte sich das Bistum Aachen mit 15.000 DM beteiligt. (Vielleicht hatte da der Umstand geholfen, dass Bischof H. Mussinghoff am 3. Mai 1998 in der Schlussandacht predigte.)

Die Bruderschaft der Mutter vom Guten Rat

Pfarrer Maßberg hatte mit der Gründung der Frauengemeinschaft noch 1913 eine gut organisierte Hilfe für die Wallfahrt mit allen damit verbundenen Aufgaben. Eine Zeit lang konnte die Pfarrei St. Blasius durch den Pfarrgemeinderat (seit 1968) an den Aufgaben beteiligt werden. Häufiger Wechsel der Mitglieder erschwerte in den 90-iger Jahren aber die Bewältigung aller Herausforderungen. 1991 kam es in Genanzzano zur Idee, die Bruderschaft neu zu formieren und in das Vereinsregister eintragen zu lassen: Ziel u.a. die Pflege des Kalvarienberges. Neu Kräfte aus der Umgebung von Kinzweiler sollten gewonnen werden.Auch wenn diese Absicht durchaus gelungen ist, so bleibt dennoch die Hauptlast und -lust an der Wallfahrt mit seinen gewachsenen und bewährten Traditionen bei den Kinzweilern selber. Durch Umsiedelung des Dorfes Langweiler (ca. 1970) und die Erschließung von zwei Neubaugebieten ist der Ort zwar erheblich gewachsen, die Bereitschaft, wenigstens durch die Mitgliedschaft in der Bruderschaft und den sehr bescheidenen Jahresbeitrag (3,- €) die Anliegen zu unterstützen, leider kaum. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die jährliche Kinderkommunion, die mit der Oktav und dem Kalvarienberg verbunden ist, diese Bereitschaft erleichtern könnte. Derzeit stagniert der Mitgliederbestand bei knapp 320 Mitgliedern. Es wäre schön, wenn auch diese kleine Schrift der Bruderschaft einen Schub geben könnte. Anmeldeformulare gibt es im Pfarrbüro.

Die im Text dieser Veröffentlichung dargelegten Angaben beruhen im wesentlichen auf den lesenswerten Büchern des ersten Brudermeisters Josef Granrath. (Wallfahrtsort Kinzweiler, Geschichte der Wallfahrt … Eschweiler 2003 und Kinzweiler Geschichte und Geschichten Bd. 3 Eschweiler 1999; s. 15-44. Die Bildrechte wurden freundlicherweise vom Verein der Heimatfreunde 1959 e.V. für diese Veröffentlichung gestellt.

Pfarrer Dr. Rainer Hennes (2014)